Schmutzgeier
Der Schmutzgeier ist der einzige werkzeuggebrauchende Geier der Welt und Europas kleinster und einziger echter Langstreckenziehgeier. Die Art gilt als weltweit bedroht und ist der einzige europäische Geier, dessen Bestand rückläufig ist. Die gute Nachricht ist, dass viele Schutzinitiativen derzeit daran arbeiten, den Bestand des Schmutzgeiers in Europa und darüber hinaus zu erhalten und zu vergrößern.
Der nächste Verwandte des Bartgeiers, der Schmutzgeier, ist kein typischer Geier. Für einen Geier ist er klein und hat ein breites Nahrungsspektrum. Es umfasst unter anderem verschiedene Kleintiere, Insekten, Eier und zuweilen Kot von Huftieren. Wenn sie zusammen mit anderen Geierarten bei einem Kadaver eintreffen, warten sie in der Regel mit der Nahrungsaufnahme, bis die grösseren Arten weg sind. Schmutzgeier suchen zudem gerne offene Mülldeponien auf, wo sie verschiedene Nahrungstücke zusammenklauben. Als einzige Geierart sind Schmutzgeier Langstreckenzieher. Im Herbst ziehen sie in verschiedene afrikanische Länder südlich der Sahara und im Frühling fliegen sie zurück in ihre Brutgebiete.
Mit Steinwerkzeug ans Eingemachte
Der Schmutzgeier hat durch ein besonderes Verhalten breitere Bekanntheit erlangt. Er bricht die harte Schale von Strausseneiern mithilfe von Steinen als Werkzeug auf. Dazu hebt er mit seinem Schnabel einen Stein auf und lässt diesen auf das Ei sausen, bis ein Loch entsteht. So gelangt er an den nahrhaften Inhalt des Eis.
Der Aufwand fürs Eierknacken lohnt sich, denn Eier haben nicht nur einen hohen Proteingehalt, sondern sind auch eine wertvolle Quelle für Karotinoide. Beides ist wichtig für das Immunsystem. Überschüssige Karotinoide werden bei Schmutzgeiern in der Gesichtshaut eingelagert und verleihen dem Gesicht die typisch gelbe Färbung. Ein stark gelb gefärbtes Gesicht zeigt an, dass der Schmutzgeier gesund und fit ist, was ihn für potentielle Partner attraktiv macht.
Ebenfalls sehr Karotinoidreich ist der Kot von Huftieren, welcher von Schmutzgeiern gerne gefressen wird. Dieses, für den Menschen etwas befremdliche Verhalten, dürfte der Geierart wohl ihren deutschen Namen beschert haben.
Schmutzgeier besonders gefährdet
Der Schmutzgeier ist die am stärksten gefährdete Geierart Europas. Die europäischen Bestände sind während den letzten 40 Jahren gesamthaft um 50 Prozent und allein auf der Balkanhalbinsel um 80 Prozent eingebrochen. Etwa 80 Prozent der in Europa verbliebenen Restpopulation befindet sich auf der Iberischen Halbinsel, während die übrigen Populationen im gesamten Verbreitungsgebiet isoliert und stark fragmentiert sind. Zudem ist der Schmutzgeier nicht nur in Europa, sondern auch auf seiner Zugroute und in seinen afrikanischen Überwinterungsgebieten vielen Gefahren ausgesetzt.
Bedroht wird diese Geierart durch den Verlust von Lebensraum, den Rückgang des Nahrungsangebots, Kollisionen mit Stromleitungen und Vergiftungen, die von Chemikalien herrühren, die in der Landwirtschaft sowohl in Europa als auch in Afrika eingesetzt werden. Dazu kommt, dass mehr als 50 Prozent der Jungvögel ihre erste Reise in die Überwinterungsgebiete nicht überleben.
Ein seltener Gast in der Schweiz
Beobachtungen von Schmutzgeiern in der Schweiz sind selten. In den letzten 30 Jahren konnte man im Schnitt nur alle zwei bis drei Jahre einzelne Individuen sichten. Allerdings finden sich auf einer ornithologischen Karte der Schweiz aus dem 19. Jahrhundert verschiedene Hinweise auf die Anwesenheit von Schmutzgeiern, darunter ein Brutstandort in der Nähe von Genf, allerdings auf französischem Boden. Wenn es also gelingt, den Schmutzgeier in Europa zu fördern, wird diese Art möglicherweise auch in der Schweiz wieder häufiger zu beobachten sein.
Lateinischer Name | Neophron percnopterus |
andere Sprachen | Englisch: Egyptian Vulture; Französisch: Vautour percnoptère; Spanisch: Alimoche Común; Portugisisch: Britango; Italienisch: Capovaccaio |
IUCN Status Rote Liste | Stark gefährdet |
Brutpaare | 2'688-2'931 Brutpaare in Europa (details s. hier>>) |
Wildbestand | 12'400-36'000 erwachsene Tiere (BirdLife International 2021) |
Verbreitung | Portugal, Spanien, Frankreich, Italien, Albanien, Bulgarien, Nord Mazedonien, Griechenland |
Grösse | 58-70 cm |
Flügelspannweite | 1.5-1.7 Meter |
Gewicht | 1.9-2.4 kg |
Nahrung | Diverse Nahrung: Aas, Insekten, kleine Reptielien und Amphibien, Säugetier-Kot, Abfall, Eier* |
Lebenserwartung | Bis zu 37 Jahren in Gefangenschaft |