Donnerstag, 25.03.2021

Bartgeierschutz mit Habitatmodell

Welche Habitate eignen sich besonders gut für Bartgeier? Diese Frage hat Sergio Vignali im Rahmen eines Forschungsprojekts an der Universität Bern (Abt. Conservation Biology>>) untersucht. Neben einem grundlegenden Interesse an dieser Frage steht auch ein konkretes Schutzanliegen hinter dieser Arbeit, die in naher Zusammenarbeit mit der Stiftung Pro Bartgeier entstanden ist.

Windenergieanlagen: Ein potenzielles Risiko

Die Nutzung von Windenergie gewinnt weiterhin an Bedeutung. Immer häufiger werden auch im Alpenraum Standorte für Windenergieanlagen abgeklärt. 

Der Bartgeier ist ein Bewohner der Alpen. Er ist ein ausdauernder Segler und nutzt für seine Streifzüge im Gebirge häufig die Hangaufwinde. Da er meist in relativ geringer Höhe über dem Relief fliegt, besteht ein erhebliches Risiko, dass er mit Rotorblättern von Windenergieanlagen kollidiert, wenn diese an ungeeigneten Orten geplant werden. 

Die geringe Reproduktionsrate dieser Art bedingt eine besonders hohe Überlebensrate. Kommen neue Mortalitätsrisiken hinzu, kann dies  schnell dazu führen, dass sich die aktuell positive Bestandsentwicklung wieder verschlechtert.

Künftige Verbreitung bereits heute abschätzen

Damit negative Auswirkungen von Infrastrukturprojekte auf empfindliche und gefährdete Arten reduziert werden können, werden in der Regel Bauverbote innerhalb von Pufferzonen rund im die Nistplätze erlassen. 

Dieser Ansatz vernachlässigt die Verbreitungsdynamik der Arten und bietet daher keinen ausreichenden Schutz. Denn Arten, die auf natürliche Weise zurückkehren oder in Programmen aktiv wieder angesiedelt werden, stehen am Anfang ihrer Ausbreitung und sind auf möglichst ungestörte Lebensräume angewiesen. 

40% des Alpenraums für Bartgeier geeignet

Aktuell leben in der Schweiz 22 Brutpaare. Noch gibt es im Alpenraum viele Regionen, wo sich die Bartgeier etablieren können. Daher muss bei Standortabklärungen zu Windenergieanlagen im Vorfeld abgeschätzt werden, in welchem Ausmass diese Gebiete künftig durch Bartgeier genutzt werden. 

Zu diesem Zweck wurden prädiktive Verbreitungsmodelle für den Bartgeier in der Schweiz entwickelt. Sie basieren auf einer Kombination von Zufallsbeobachtungen und GPS-Positionen von mit Sendern markierten Individuen. Die Modelle zeigen, dass 40 Prozent des Alpenraums für Bartgeier als Lebensraum geeignet sind. 

Steinböcke & Gemsen, am liebsten wo die Wintersonne scheint

Aus den Lebensraummodellen geht hervor, dass im Winter und im Sommer andere Umweltfaktoren besonders bedeutsam sind, und Alt- und Jungtiere auch nicht identische Ansprüche an den Lebensraum haben.

Generell scheinen gute Vorkommen von Steinböcken und Gemsen wichtig für die Präsenz von Bartgeiern zu sein. Als Untergrund wird Kalk und Granit gegenüber Gneiss geschätzt. Altvögel gefällt es besonders an Orten, wo im Winter viel Sonne scheint und mit wenig Regen zu rechnen ist.

Karten für erste Einschätzung potenzieller Konflike

Dank einem besseren Verständniss für die Habitatansprüche von Bartgeiern, können nun Karten erstellt werden, die Gebiete mit besonders grossem Konfliktpotential aufzeigen und für Windkraftanlagen nicht genutzt werden sollten. Weitergehende Standortanalysen sind dann nur noch in Gebieten notwendig, wo nicht bereits zum vornherein erhebliche Konflikte zu erwarten sind.

Literatur

Vignali S, Loercher F, Hegglin D, Arlettaz R, Braunisch V. 2021. Modelling the habitat selection of the bearded vulture to predict areas of potential conflict with wind energy development in the Swiss Alps. Global Ecology and Conservation 25:e01405. 
https://doi.org/10.1016/j.gecco.2020.e01405 
*

* Um ein breiteres Bild zu erhalten erarbeitet die Forschungsgruppe der Univ. Bern erarbeitet nun auch ein entsprechendes Modell für Adler.

Aktuellste Beiträge

  • Dienstag, 05.03.2024
    Jordan ist Gregoria-Jordan
    Wildgeschlüpfte Bartgeier, die nie eine Markierung mit Sendern oder Ringen erhalten haben, können wir nur anhand von genetischen Daten identifizieren....
  • Montag, 05.02.2024
    Obwaldera überwintert im Tessin
    Das junge Bartgeiermännchen Obwaldera ist seit einem halben Jahr eigenständig unterwegs. Seit seiner Auswilderung hat er schon viele Kilometer zurückg...
  • Freitag, 22.12.2023
    Veronika kann nicht mehr fliegen
    Sechs Jahre nach ihrer zweiten Freilassung hatte Bartgeier Veronika wieder erfolgreich gebrütet. Natürlich hofften wir, dass dieses Bartgeierweibchen ...
  • Donnerstag, 21.12.2023
    Schils hat erstmals erfolgreich gebrütet
    2014 war Schils einer der beiden Bartgeier, die wir im St. Gallischen Calfeisental auswildern konnten. Nach einer etwas turbulenten Wanderphase und er...
  • Donnerstag, 16.11.2023
    Helfen Sie mit!
    Dank der vielfältigen Unterstützung, die wir erhalten, können wir viel bewirken. So leben heute wieder rund 350 der imposanten Segler in den Alpen. Do...
  • Mittwoch, 25.10.2023
    271 Freiwillige haben Bartgeier gesucht
    Unsere diesjährigen Bartgeier-Beobachtungstage waren ein voller Erfolg: 271 Freiwillige haben am 14. Oktober in der Schweiz von insgesamt 186 Pos...
  • Mittwoch, 11.10.2023
    Die Bartgeier breiten sich weiter aus
    Das Jahr 2023 war die bisher beste Brutsaison seit Beginn der Wiederansiedlung der Bartgeier in der Schweiz. Im Tessin ist erstmals ein junger Bartgei...
  • Mittwoch, 11.10.2023
    Auswilderung 23: Ein Blick zurück
    Schöne Erinnerungen und bereichernde Erlebnisse werden uns auch von der diesjährigen Auswilderungssaison auf der Melchsee-Frutt bleiben. Besonders hat...
  • Dienstag, 10.10.2023
    Wieso Marco zurück musste
    Leider mussten wir im August Bartgeier Marco zurück fangen, obwohl er bereits ausgeflogen und in guter gesundheitlicher Verfassung war. Verhaltensauff...
  • Mittwoch, 04.10.2023
    Bartgeier kollidiert mit Helikopter
    Am 20. September kollidierte im Wallis ein Helikopter mit einem Bartgeier, der dabei tödlich verletzt wurde. Es handelt sich mit grosser Wahrscheinlic...
  • Donnerstag, 03.08.2023
    Erster Tessiner Bartgeier
    Am Montag, dem 31. Juli 2023, ist erstmals im Tessin ein wildgeschlüpfter Bartgeier ausgeflogen. Dies vermeldet die Vogelkunde- und Vogelschutzorganis...
  • Dienstag, 01.08.2023
    Bartgeier Veronika hat wieder Nachwuchs
    Die abenteuerliche Geschichte von Veronika setzt sich fort. Die wichtigsten Stationen bisher: 1999 im Schweizerischen Nationalpark ausgewildert, seit ...
  • Donnerstag, 20.07.2023
    Überraschendes bei Marco & Obwaldera
    Unsere Junggeier Marco und Obwaldera entwickeln sich prächtig, auch wenn es zwischendurch Überraschungen und Schreckensmomente gab. Mittlerweile flieg...
  • Donnerstag, 20.07.2023
    Bartgeier Sardona lebt nicht mehr
    Vergangenen Monat ist der St. Gallische Wildhüter Rolf Wildhaber im Calfeisental auf die Überreste eines grossen Greifvogels aufmerksam gemacht worden...
  • Montag, 10.07.2023
    Rettung für BelArosa
    BelArosa hat uns in den vergangenen Wochen einige Sorgen bereitet und für angespannte Momente gesorgt. Glücklicherweise endet diese aufregende Episode...
  • Sonntag, 11.06.2023
    Obwaldera & Marco ausgewildert!
    350 Bartgeierfans haben sich heute auf der Tannalp bei Melchsee-Frutt versammelt und waren bei der Auswilderung der Bartgeier Marco und Obwaldera dabe...
  • Mittwoch, 31.05.2023
    Die Geier sind wieder da
    Lange Zeit war die Sichtung eines Gänsegeiers in der Schweiz ein aussergewöhnliches Ereignis. Seit rund zehn Jahren jedoch kreisen sie wieder regelmäs...
  • Dienstag, 16.05.2023
    Bald erste geglückte Tessinerbrut?
    Erstmals hat ein im Tessin geschlüpftes Bartgeierküken die ersten kritischen Lebenswochen gemeistert. Dies vermeldet die Tessiner Vogelkunde- und...
  • Montag, 17.04.2023
    Fredueli - zuhause ist's am schönsten
    Fredueli konnten wir seit seiner Auswilderung jeden Sommer bei Melchsee-Frutt beobachten. Es scheint, dass es ihm hier, wo er im Sommer 2018 zusammen ...
  • Sonntag, 16.04.2023
    Finja weiterhin auf Wanderschaft
    Finja ist nun fünf Jahre alt und damit geschlechtsreif. Wunderschöne Bilder, die Patrick Schwitter im letzten November gelungen sind, zeigen, dass Fin...
  • Samstag, 11.03.2023
    Luzerna bleibt im Wallis
    Luzerna, dies zeigen uns die GPS Daten ihres Senders, gefällt es am besten  beim Aletschgletscher und im Mattertal. Doch auch kurze Stippvisiten ...
  • Freitag, 10.03.2023
    Gute Neuigkeiten von BelArosa
    Fast sechs Monate lang waren wir im Ungewissen, wie es BelArosa geht. Meist verraten uns die GPS-Sender nahezu täglich, wo sich die ausgewilderten Jun...